Der Macher der Sounds von
Ambermoon, Lionheart, No Second Prize...
I'm a Soundman!
Mit seinen gut dreißig Jahren gehört Matthias
zu den älteren Semestern der Branche.
Erik Simon, der Leiter der Softwareentwicklung, ruft an und erzählt mir von dem Ambermoon-Projekt. Da wir schon einige Zeit ganz erfolgreich zusammenarbeiten, gibt er mir den Auftrag zur Musik. Er redet von Titelmusik, etwa 15 Ongame-Songs und einer Schlussmusik. Außerdem drückt er mir gleich noch den Auftrag für Lionheart aufs Auge. Da aber beide Deadlines noch in weiter Ferne liegen und ich noch einige andere Aufträge habe, lasse ich erstmal die Finger davon.
Ich fahre mal eben nach Gütersloh zu Thalion, um mir ein Bild von Ambermoon und Lionheart zu machen. Ist ja auch nur ein Katzensprung von Berlin aus. Sieht schon toll aus, auch wenn noch nicht viel zu sehen ist. Eriks Vorgaben für die Musik beschränken sich auf: "Anhören soll es sich wie 1 MB Musik, darf aber nicht mehr als etwa 10 - 20 KB belegen. Wie Du das machst ist Dein Problem." Na toll. Wir beschließen, es mal mit dem Sonic Arranger zu versuchen, weil der den internen Chip besser nutzt als jedes andere Programm und die Module wenig Platz beanspruchen.
Da ich noch keine Probelevels habe, mache ich erstmal die Musik zu No Second Prize. Gut Ding will Weile haben.
Eine Liste von Jurie. Hurra. Jetzt weiss ich wenigstens, welche Musiken er bei Ambermoon erwartet. Ich mache mich gleich an die Arbeit. Im Laufe der nächsten drei Wochen entstehen etwa 15 Musiken. Hatte einen echt kreativen Schub. Den hatten leider auch die Programmierer und erweitern ihre Wunschliste der Musiken immer wieder.
Und eine Liste mit Wünschen für Lionheart von Erwin. Die Speicherangaben sind etwas realistischer geworden (60 - 80 KB), da kann man schon vernünftig arbeiten. Sieben Level sollen es nun sein, plus Intro und Extromusik. Was aber um alles in der Welt ist ein "Riesen - Schleim - Ding - mit - Auge - in - der - Mitte"?
Vorbei ist es mal wieder mit der Kreativität. Erik ruft an (schlechtes Zeichen) und "bittet" mich, eben mal 20 Musiken von Amberstar für den PC umzusetzen. Und das nur nach Gehör in drei Wochen. Trotzdem schaffe ich noch drei Entwürfe für Lionheart in diesem Monat. Eigentlich erstaunlich.
Bis jetzt hatte Erik nichts an der Musik zu beanstanden. Nur die Endmonstermusik beim Lionheart ist ihm noch zu zahm. Er will, "dass dem Spieler das Adrenalin aus den Ohren spritzt." Kann er haben. Außerdem neue Direktive: Lass Ambermoon liegen - mach Lionheart fertig. Das soll vor Weihnachten erscheinen. Wer's glaubt...
Endlich, ein spielfähiges Demo vom ersten Level von LH. Außerdem fällt der zweite Level dem Zeitdruck zum Opfer. Soll mir recht sein. Ich mache den Sumpf- und den Spinnenlevel zu Ende und einige Entwürfe am Midikeyboard für die übrigen Level. |
Endlich ist das Intro und das Extro da. Da die Musik getimed laufen soll, geht die Arbeit mit der Stoppuhr los. Ich verwende eine Handvoll Motive aus Wagners Ring und dem fliegenden Holländer. Echt witzige Idee, nur wird das niemand bemerken.
Anfang des Monats stehen die LH-Musiken und Erwin beginnt mit dem Einbau. Das Sonic Arranger-Format wird nochmal überarbeitet. Jedes Byte zählt. Ich beginne mit den FX (sind ja nur etwa 70 Sounds) und habe Erwins "Eigentlich - habe - ich - dafür - gar - keinen - Platz - mehr" im Ohr. Naja, mit etwa 200 Bytes pro Sound muss ich halt auskommen, von einigen Ausnahmen einmal abgesehen. Meine Phantasie wird bei spuckenden Teekesseln und "Dinger spuckenden Fensterschmeißern" (O-Ton Erik) arg strapaziert. Es wird klar. dass LH erst nächstes Jahr erscheint.
Erik hat noch einen Geheimlevel geschaffen, der musikalisch versorgt sein will. Da die Zeit nicht mehr drängt, werden einige Musikstücke nochmal überarbeitet. Dass ich noch andere Aufträge habe, scheint bei Thalion niemanden zu interessieren. Warum auch.
Nachdem Lionheart beendet ist, melden sich die Ambermoon-Leute wieder zu Wort. Immer neue Transportmittel werden ins Spiel eingebaut (Sandschlitten, Besen und mehr) und erfordern auch immer neue Musiken. Jetzt bin ich inzwischen bei 22 Tracks und ein Ende ist nicht abzusehen.
Nun sind auch die Grafiken des Ambermoon-Intros fertig. Also, wie gehabt, Stoppuhr raus und los gehts. Ich kann es mal wieder nicht lassen und baue noch ein paar Takte Star Trek mit ein. Außerdem mache ich für Ikarion noch eben die Musik zu Hattrick.
Ich fahre mal wieder nach Gütersloh, um mich vom Fortgang der Arbeiten zu überzeugen. Bei der Gelegenheit presse ich Willi gleich eine Nachzahlung ab, da der Auftrag inzwischen doch eine starke Eigendynamik erlebt. Bei Jurie und Karsten fallen daraufhin alle Schranken und sie geben mir eine Liste mit zehn weiteren Musikwünschen. Mit mir kann man es ja machen.
Die letzten Dungeons werden gezimmert, die letzten Sonderwünsche erfüllt. So langsam nähere ich mich dem kreativen Engpass. Kein Wunder bei fast 35 Musiken. Ich fange an, einige Musiken für die geplante CD umzusetzen und warte auf das angedrohte Extro.
Urlaub. Ich will nichts hören von Musik.
Es wird kein animiertes Extro geben. Also habe ich freie Hand (das hätten sie sich auch eher überlegen können). Erik hätte gerne noch eine Game - Over - Musik. In der stillen Hoffnung, dass damit der Ambermoon endgültig von meinem Himmel verschwindet, erledige ich auch dieses. Mit den Aufträgen zu Zeppelin von Ikarion und dem Schatz im Silbersee von Linel bin ich auch so ausreichend versorgt. Am 26.09.1993 schicke ich die letzte Musik Richtung Gütersloh, begleitet mit der Aufforderung an Erik, seine eventuellen Änderungswünsche für sich zu behalten. Er tut es. Nun steht die Konvertierung für den PC ins Haus, danach beginnen die Arbeiten zum dritten Teil der Amberstar-Trilogie. Wir werden sehen... |
AMIGA GAMES 12/93