Kopierschutz-Chaos und kein Ende: Hardware- oder Software-Schutz, Handbuch-Abfrage, Seriennummern oder gar keine Vorkehrungen gegen Raubkopierer?

 

"Bei den jetzigen Verkaufszahlen lohnt sich Spiele-Software für den ST in Deutschland nicht mehr. Der Amiga hat da eindeutig die Oberhand gewonnen. Raubkopien tragen ein übriges zu der schlechten Situation bei. Ein Disketten-Kopierschutz wird immer geknackt. Wir stecken daher auch keinen großen Entwicklungsaufwand mehr in den softwaremäßigen Kopierschutz und setzen nur noch einen relativ harmlosen Diskettenschutz ein. Mittelfristig wollen wir weg von kopiergeschützten Disketten. Größere Projekte schützen wir dann nur noch mit Handbuch-Abfragen vor den Raubkopierern."

Erik Simon von Thalion Software (TOS 5/91)

"Some German distributors have stopped doing ST products [...]. Some of the software manufacturers are now also thinking about switching to the Amiga and PC only (Thalion, I have to say with a voice trembling with emotion, is one of these). ST games simply don't sell enough to pay for themselves. [...] It would be [...] heart-breaking to know that Thalion will quit producing ST software."

Richard Karsmakers (ST News)

 


Thalion über die Zukunft des AMIGAs

"Oftmals haben wir den Eindruck, als würden Softwarefirmen verdächtigt, irgendwann einmal bestimmte Rechnermodelle aus purer Boshaftigkeit zu vernachlässigen. Man stelle sich vor: Eine dunkle, regnerische Nacht, in Trenchcoats gehüllte Gestalten klopfen irgendwo in einer europäischen Großstadt an eine Tür, murmeln eine Parole ('Amiga sucks') und versammeln sich in einem rauchverhangenen Konferenzraum. Dort findet das jährliche Treffen der Bosse der großen Softwarefirmen statt und diesmal beschließen sie: 'Lasst uns den Amiga-Besitzern eins auswischen, drehen wir ihnen den Hahn ab, so wie letztens den Atari ST-Usern! Koste es, was es wolle, har, har!'

So ist es natürlich nicht. Und falls doch, haben wir keine Einladung erhalten. Wie dem auch sei, ich würde gern klarmachen, dass alle Softwarefirmen die Entscheidung, für welchen Computer entwickelt wird, gar nicht selbst treffen. Die Kunden tun das für sie. Und ihr Stimmzettel sind Kassenbons. Tut mir leid, mit der alten Masche 'Wir müssen ein paar Programme verkaufen, um zu überleben' anzukommen, aber es zeichnet sich hinsichtlich der Verkaufszahlen von Amiga-Programmen ein eher trauriges Bild ab, besonders wenn man bedenkt, dass der Rechner europaweit millionenfach installiert ist. Fairerweise muss man jedoch anmerken, dass manche der Beschwerdeführer über die schwache Kaufmoral der Amiga-Besitzer auf diesem Rechner Produkte in einer eher schwachen Qualität anbieten, so dass man nur schwer sagen kann, ob das Spiel aufgrund der vielen Raubkopien floppte oder weil es einfach mies war.

Aus diesen Gründen weigern wir uns jedoch, den Amiga fallenzulassen. Zum ersten muss man ganz offen sagen, dass es für eine doch recht kleine Firma wie Thalion nicht so einfach ist, von heute auf morgen auf ein anderes System zu wechseln. Wir haben zuviele Entwicklungsprogramme, die auf den Amiga zugeschnitten sind, im Laufe der Jahre perfektioniert. Das alles auf PC-Umgebung umzuschreiben, würde mindestens ein halbes, produktionsloses Jahr kosten. Zweitens haben wir uns entschlossen, zwei Testraketen abzufeuern, in Gestalt zweier Amiga-Programme, deren Qualität (unserer natürlich nicht ganz objektiven Meinung nach) überdurchschnittlich hoch ist: Lionheart und, ganz frisch, Ambermoon. Im Falle von Lionheart waren die Käuferreaktionen so gesehen enttäuschend, wir konnten gerade unsere hohen Entwicklungskosten decken. Für ein Actionspiel waren die Verkäufe jedoch klar über dem Durchschnitt.

Ein deutlicheres Lebenszeichen der Amiga-Gemeinde erhoffen wir uns mit Ambermoon, da wir technisch und qualitativ einen Aufwand betrieben haben, der heutzutage nur bei führenden PC-Rollenspielen angetroffen wird.

Die eingangs gestellte Frage lässt sich also für Thalion so beantworten: Noch ist für uns der Amiga nicht gestorben. Ernsthafte Symptome sind jedoch unübersehbar. Wenn Medikamente in Form von Software auf fairem Qualitätsniveau dem Patienten nicht helfen können, werden auch bei uns finanzielle Zwänge stärker als der Amiga-Enthusiasmus."

Erik Simon, Thalion


Das Ende von Thalion
"Zu Amiga-Zeiten gab es bereits eine sehr aktive Cracker-Szene, und noch heute behaupten Leute, die massenhafte Raubkopiererei sei für den Tod des Computersystems verantwortlich. 1992 veröffentlichte die Firma Thalion das Spiel Lionheart und wandte sich mit einem bis dato beispiellosen Aufruf an die Spielergemeinde:"
Thalion musste später dennoch seine Pforten schließen. "Insider behaupten jedoch, nicht die Raubkopien, sondern Missmanagement sei die Ursache gewesen."
Auszug aus dem Artikel "Gecrackte Spiele", erschienen in der Zeitschrift GameStar (Ausgabe Februar 2000, S. 48-52)