Ein Blick in die Zukunft des Fantasy-Rollenspiels: Amberstar II holt das Letzte aus der traditionellen Blockgrafik heraus (Amiga)
Thalions Fantasy-Abteilung plant weit voraus: Neben dem Rollenspielepos "Amberstar" werkelt man bereits an der Fortsetzung und an einem zukunftsweisenden 3D-Grafiksystem.
Rollenspielprofi Karsten Köper steckt im Stress: Sein opulentes Fantasy-Abenteuer "Amberstar" soll noch vor Weihnachten fertiggestellt und ausgeliefert werden. Der größte Teil der Arbeit ist zum Glück schon getan: Bei unserem Besuch in Gütersloh liefen wir bereits durch Städte und über Friedhöfe, krabbelten durch die Kanalisation und bereisten den Amberstar-Kontinent auf einer magischen Flugscheibe. Dabei verstellten uns auffallend wenige Monster den Weg. Nach Karstens Aussage wird das auch im fertigen Spiel so bleiben: "Amberstar ist kein Hack'n'Slay-Rollenspiel." Aber keine Angst, auch Schwertträger und Kampfzauberer kommen bei Amberstar auf ihre Kosten. Der Prügelbildschirm besteht hauptsächlich aus einem großen, an Konsolen-Rollenspiele erinnerndes Fenster, in dem man den feindlichen Sprites Auge in Auge gegenübersteht, und einem kleinen Fenster zur Draufsicht. Letzteres ermöglicht es dem Spieler, à la Ultima die Kampfaufstellung festzulegen ("Der Zauberer mit dem schwarzen Umhang wird gebeten, sich in die hinterste Reihe zu begeben.") und präzise im Auge zu behalten. Kleine Icons neben den Gesichtern der eigenen Helden zeigen hier außerdem die verschiedenen Kampfoptionen an.
Überhaupt spielen Icons bei Amberstar eine große Rolle: Sie kennzeichnen den Gesundheitszustand eines Helden und bevölkern in der "Klick mich"-Variante jedes Befehlsmenü. Nicht nur dadurch soll die Benutzerfreundlichkeit gesteigert werden. Karstens mausgesteuerte Oberfläche führt den Spieler bequem durch die Menüs und von einem Bildschirm zum nächsten. Der Cursor wird so lange in einem Bildschirmwinkel festgehalten, bis er dort eine entsprechende Entscheidung gefällt hat. So bleibt jedem Mausbesitzer zielloses und entnervendes Herumrutschen erspart. Außerdem sind nur jene Icons, die von einer Figur auch wirklich benutzt werden können, erleuchtet.
Je nach Spielsituation bewegt der Spieler seine x-köpfige Gruppe als kleine Sprites über Ebenen und durch Straßen oder er streift durch eine 3D-Umgebung, wie man sie aus beinahe jedem Konkurrenzprodukt kennt. Für die Amberstar-Fortsetzung wird die 3D-Grafik gehörig aufgepeppt: Zwar schreitet man auch hier Schritt für Schritt durch Blockgrafik (d.h. es wird nicht gezoomt oder gescrollt, sondern ein Feld nach dem anderen zurückgelegt), durch die Einführung verschiedener Ansichten auf ein Blockgebäude sowie die Verwendung von Schatteneffekten wird jedoch ein erstaunlicher Effekt erzielt. Erste Probespaziergänge brachten wir bereits hinter uns. Halten die Thalion-Entwickler, allen voran Grafiker Thorsten "Spherical" Mutschall, an der eingeschlagenen Richtung fest, können wir uns schon jetzt auf die atmosphärischsten Besichtigungstouren und die detailliertesten Fantasy-Bauwerke seit langem freuen.
Amberstar wird laut Thalion noch vor Weihnachten
erhältlich sein
Mit einem revolutionären 3D-System geht Thalion noch ein paar Schritte weiter. Origin realisierte mit "Wing Commander" auf schnellen MS-DOS-Rechnern erstmalig bitmapped-3D-Grafik. Thalion lässt die Mauern, Gegenstände und Fußböden jedoch schon auf normalen ATs, Amigas und ST-Computern rotieren, scrollen und stufenlos zoomen. Der 3D-Effekt ist dermaßen erstaunlich, dass Thalion-Entwicklungsleiter Erik Simon schon über ein geeignetes Genre zur Verwertung nachdenkt. Bleiben die Entwickler dem Rollenspiel treu, könnte mittels des 3D-Systems von Michael Bittner ein neues Zeitalter eingeläutet werden: Thalions Routinen leisten alles, was das englische "Freescape"-System ("Driller", "Castle Master") bisher fertigbrachte; statt eintöniger Vektorgrafik läuft der Spieler durch detaillierte "Dungeon Master"-Umgebung. Um den Grafikzauber auf MS-DOS zu übertragen, griff Thalion auf einen alten 3D-Recken zurück: Jürgen "Hard Drivin'" Friedrichs, der als Domark-Fremdenlegionär längere Zeit in London weilte, meint nach ein paar durchgecodeten Nächten zum 3D-Effekt auf dem PC: "Auf 386ern wird die Dungeon-Wanderung zum Actionspiel; Origin haben wir damit abgehängt."
Zoom durchs Schlüsselloch:
Dahinter lauert der 3D-Drache (MS-DOS/VGA)
Wir testeten Thalions innovatives System auf einem MS-DOS-Rechner mit 16 MHz sowie auf dem Atari ST und kamen zu folgendem Voraburteil: Läuft alles nach Plan, hat in den Programmierlabors in Gütersloh die Spielezukunft schon begonnen.
Stufenloses und flinkes
Zoomen und Rotieren ist dank der Routinen von Michael Bittner und
Jürgen "Hard Drivin'" Friedrichs kein Problem
Power Play 12/91
Nochmal 3D Besonderen Wert legen die deutschen Rollenspielhasen von Thalion darauf, dass sie die Ersten waren, die ein ansprechendes 3D-Bitmap-System für schmucke Dungeons entworfen haben. Zwar ist die Grafik der Amberstar 2-Dungeons deutlich schneller als der Ultima Underworld-Kollege, und den "Wir sind Erster"-Bonus bestreitet auch niemand, dafür fehlen dem deutschen Pendant im Moment ein paar kleine Feinheiten, die bei der Konkurrenz aus den USA zu finden sind. Hüpfen beispielsweise sowie nach oben und unten schauen, ist zur Zeit bei Amberstar 2 noch nicht möglich. Auch fehlen solche Kleinigkeiten wie "Abhänge", an denen Gegenstände hinunterkullern. Allerdings feilen die Thalion-Programmierer bis zum geplanten Erscheinungstermin (Weihnachten 1992) an Amberstar 2 noch fleißig weiter. Wir werden Euch über die Fortschritte auf dem Laufenden halten. Power Play 6/92 |