Erwin Kloibhofer: 1½ Jahre Thalion | |
Ich habe erst kürzlich ein paar Kommentare zum Spiel Ghost Battle in diversen Retro-Magazinen gelesen, und dabei entstand der Eindruck, dass Thalion an der Entwicklung von Ghost Battle beteiligt war oder dass es vielleicht sogar eine Inhouse-Produktion war. Das ist nicht der Fall. Die Geschichte hinter Ghost Battle (und damit die Anfänge von Henk Nieborg und Erwin Kloibhofer) ist hingegen so: Henk und ich hatten uns (eigentlich zufällig) in Holland getroffen. Er zeigte mir damals seine Pixel-Grafiken, die damals schon sehr gut waren, aber noch nicht die Qualität von späteren Arbeiten hatte. Wir waren beide so um die 19, 20 Jahre alt und standen am Anfang unserer Entwicklung. Wir hatten noch kein Spiel programmiert oder überhaupt irgendwie zusammen gearbeitet. Wir waren beide mehr oder weniger Teil der Demo-Szene. So hatten wir uns auch getroffen. Menschlich passte es sehr gut zwischen uns beiden, und wir hatten beide den Willen etwas auf die Beine zu stellen. So hielten wir Kontakt nach meiner Rückkehr nach Österreich im September 1989. "Kontakt" bedeutete damals via Post, also Briefe schreiben! Internet gab es noch keines, und Telefonieren nach Holland war viel zu teuer! Wir planten ein Spiel zu machen, das durch Ghosts 'n Goblins inspiriert war - damals ein sehr populäres Arcade Spiel. Henks erste Grafik, die er mir zeigte, die eigentlich unsere "einzige" Inspiration war, erinnerte schon an dieses Thema und den "Look" von Ghost Battle. So arbeiteten wir für gut ein Jahr gemeinsam an einem Spiel, ohne echte Kommunikation und Erfahrung, nur durch Austausch via Briefe per Post alle paar Wochen, mit einer beigelegten Diskette, um unsere Daten auszutauschen. Aber das zeigte schon, dass wir uns gut verstanden und uns durch unsere Arbeit gegenseitig inspirierten. Da war schon ein Stück weit blindes Verständnis da - das sich auch in unserer späteren Arbeit wieder zeigte. Wir wussten einfach was wir wollten, ohne viel zu reden, und haben uns gegenseitig ergänzt. Bei Ghost Battle bin ich mir nicht mehr so ganz sicher, wer sich um das Level-Editing gekümmert hat. Einen praktischen Level-Editor gab es damals nicht, also mussten die Daten von Hand in den Code eingefügt werden. Wer das machte, ob ich oder Henk das war, kann ich gar nicht mehr genau sagen. In unseren späteren Spielen gab es immer einen sehr komfortablen Editor, der dem Designer (Henk, oder auch Erik Simon) alle Möglichkeiten in die Hand gab, sich auszutoben. Es versteht sich von selbst, dass ein solcher Editor (und die sich damit ergebenden Freiheiten) sehr über die Qualität eines Spieles entscheidet. In der "Anfangszeit" der Spieleentwicklung war das dennoch noch nicht ganz selbstverständlich. Schon bei Ghost Battle war es mir wichtig, alle (programm-)technischen Aspekte abzudecken, bis hin zum Kopierschutz und den Disketten-Lade-Routinen. Klar, ich war der einzige Programmierer (und Henk der einzige Grafiker/ Designer), insofern blieb uns damals gar nichts anderes übrig. Aber wir haben diese Arbeitsweise noch lange beibehalten, obwohl es schon längst nicht mehr nötig gewesen wäre, sich wirklich "um alles" zu kümmern. Das Spiel wurde also von den Kinderzimmern aus von zwei Kids entwickelt, die 1.000 km voneinander entfernt lebten. Noch dazu musste ich damals meinen Zivildienst absolvieren, das machte die Sache nicht gerade leichter. Als Hardware hatte ich einen Amiga 1000 im Einsatz - erweitert um eine externe Festplatte mit 20 MB (!) Kapazität. Henk nutzte einen Amiga 500. Entwickelt wurde mit einem ganz einfachen Text-Editor (nämlich meinem selbst programmierten Text-Editor SuperED), einem Assembler und einem einfachen Debugging Tool. Als das Spiel schon weit fortgeschritten war, fuhren wir im Oktober 1990 auf die Amiga '90 Messe in Köln. Dort zeigten wir das Spiel einigen namhaften deutschen Firmen, wovon sich zwei sehr interessiert zeigten. Erik Simon bot uns nicht nur an, das Spiel zu vermarkten, sondern auch gleich noch Jobs in Gütersloh! Das Spiel war dann im April 1991 fertig und im Oktober desselben Jahres, direkt nach dem Ende des Zivildiensts, gingen wir beide dann nach Deutschland und begannen direkt mit der Arbeit an Lionheart. Erik hatte Großes mit uns vor! Bei Thalion angekommen weihte uns Erik in seine Pläne ein, die nochmals um einiges größer waren als das, was zum Schluss bei Lionheart herauskam. Ich erinnere mich an eine riesige Welle, auf der man durch eine Höhle reiten sollte.... Fantasie hatte Erik ;-). Henk und ich hatten jeweils ein eigenes ca. 8 m² großes "Büro", in dem wir die ersten sechs Monate auch schliefen! Wir waren jung und hatten auch keine Zeit (oder Erspartes) uns nach einer Wohnung umzusehen. Das war Henks Raum. Meiner war direkt daneben. Beide ohne Fenster, aber zumindest eine Tür hatten wir ;-). Wir hatten dann noch jeweils eine Matratze, die an der Wand lehnte, und einen Schlafsack. Geduscht wurde bei unseren Kollegen, zumeist Erik Simon. Das war unser Leben für die ersten sechs Monate bei Thalion... Wir machten uns sofort an die Arbeit, und das war für die nächsten 14 Monate unser absoluter Lebensmittelpunkt. Für damalige Verhältnisse waren 14 Monate eine ziemlich lange Zeit und einigermaßen ungewöhnlich für ein Actionspiel. Es war aber schon früh erkennbar, dass hier ein überdurchschnittliches Spiel entstand, und deshalb ließ sich Willi Carmincke von Erik breitklopfen, uns doch noch den einen oder anderen Monat mehr an Entwicklungszeit zu gewähren. Henk und ich bestanden darauf unsere eigene Hardware weiterzunutzen, wobei ich dann auf einen Amiga 2000 und einen netten Monitor aufrüstete. Das Spiel war immer noch in Assembler programmiert, für den Editor nutzte ich aber bereits C, das damals schön langsam Fuß fasste. Die Atmosphäre und Zusammenarbeit mit den Kollegen bei Thalion (wir waren ca. zehn) war hervorragend! Es gab kleine Teams von 2-3 Leuten, die jeweils an eigenen Spielen arbeiteten, und man hat sich permanent bei den anderen schlau gemacht und so auch gegenseitig inspiriert und "angetrieben". Auch außerhalb der Bürozeiten haben wir alle sehr viel Zeit miteinander verbracht. Es war quasi eine große Familie! Auch mit externen Teams wurde teilweise Kontakt gehalten, z.B. Manfred Trenz. Er hatte eine Scrollroutine entwickelt, die nur eine Rasterzeile (dient als Zeit-Bemessungsgrundlage) pro 1-Pixel Scrollgeschwindigkeit benötigte. Das geht? Nach ein paar Tagen Herumprobieren war uns auch klar - ja, das geht! Viel Zeit wurde auch in sogenannte Copper-Listen investiert, mit denen man jede Rasterzeile die Farbpalette ändern konnte und so über den gesamten Bildschirm leichte Farbverläufe erzeugen konnte - zusammen mit anderen Effekten wie Parallax-Layern im Hintergrund. Aufgrund dessen, dass es Vordergrund- und Hintergrund-Layer gab (teilweise mit überlagernden Wasser-Layern), jeweils mit eigenen Farbverläufen und Überlappungen, waren diese dynamisch erstellten Copperlisten nicht nur ziemlich lang, sondern auch komplex und bereiteten einiges Kopfzerbrechen. Ein Ziel war es, auch die unterschiedlichen technischen Möglichkeiten des Amiga voll auszureizen. Und so entstanden Level im "Extra-Halfbrite-Modus" (64 Farben gleichzeitig) und dann eben wieder Standard-Level mit weniger Farben aber dafür mehreren Layern. Mit den Farbverläufen sahen sie dann doch wieder bunt aus. Ich erinnere mich noch an einen Besuch eines Amiga Seminars in Frankfurt, als den Entwicklern der neue AGA Grafik-Chip, der im Amiga 1200 und 4000 zum Einsatz kommen sollte, vorgestellt wurde. Lionheart war damals halb fertig, und ich hatte es zum Seminar mitgenommen. Bei der Ansicht des Spiels durch ein paar Commodore Manager wurde gefragt, ob dies das erste neue AGA Spiel sei. "Nö, das ist noch der alte OCS-Chipsatz" löste dann einige erstaunte Gesichter aus... Eine wichtige Entscheidung war dann noch, ob man einen Kopierschutz nutzen sollte oder nicht. Willi Carmincke bestand logischerweise darauf. Aber wir Entwickler, die ja mehr oder weniger selbst aus der Szene kamen, wussten, dass das sowieso sinnlos ist. Außerdem war mir persönlich sehr wichtig, dass man das Spiel auch von Harddisk spielen konnte - zu der Zeit ein absolutes Novum für Actionspiele! Außerdem wollten wir an die Community ein Zeichen richten: Wir verzichten auf den Kopierschutz weil wir euch vertrauen, dass ihr unsere Arbeit (durch einen Kauf des Originals) unterstützt und gutheißt. Ich kenne die Verkausfszahlen leider nicht, aber was ich so mitbekommen habe, hat sich dieser Mut durchaus gelohnt! Obwohl wir sehr hart arbeiteten, lange Stunden und auch an Wochenenden, kamen wir nicht so schnell voran, wie man es sich in der "Führungsetage" vorgestellt hatte. Für uns ein Knackpunkt war Dezember 1992. Willis Plan war eigentlich, das Spiel vor Weihnachten zu veröffentlichen, also arbeiteten wir extra hart. Als es dann auf Weihnachten zuging und wir dieses eigentlich mit unseren Familien in der Heimat verbringen wollten, bestand Willi darauf, dass wir auch über Weihnachten arbeiten sollten. Das war für uns ein ziemlicher Schlag und eine persönliche Geringschätzung all der harten Arbeit, die wir in dieses Spiel gesteckt hatten. Für Henk und mich war damit der Gedanke geboren, uns nach einer neuen Firma umzuschauen. Als das Spiel im Februar 1993 quasi fertig war, hatten wir Demo-Disks mit einem Bewerbungsschreiben an vier große Spielehersteller gesendet. Drei meldeten sich gar nicht (was wir einigermaßen lustig fanden), nur einer meldete sich - Psygnosis. Also vereinbarten wir einen Termin in Liverpool. Einen Tag bevor wir flogen, informierten wir Thalion über unsere Entscheidung. Erik war natürlich gar nicht begeistert, zeigte aber einigermaßen Sympathien ob der Vorfälle vor Weihnachten. Er informierte Willi, der auch sofort mit einem ziemlich dicken Hals zu uns ins Büro kam. Er holte uns einzeln zu sich und hat uns versucht ziemlich massiv zu bearbeiten und unter Druck zu setzen. Für mich nur eine weitere Bestätigung die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Henk allerdings war danach ziemlich fertig. Es ging ihm sehr nahe - wohl auch deshalb, da er als Holländer die deutsche Sprache zwar sehr gut konnte, aber wenn man von einem verärgerten deutschen Manager eine Breitseite abkriegt, im zarten Alter von 22/ 23, kann das schon einen starken Eindruck hinterlassen... Henk war nach dem Gespräch mit Willi ziemlich niedergeschlagen und wollte sogar total hinwerfen - also der Spielewelt den Rücken kehren. Und das am Tag vor dem Flug nach England... er musste erst wieder aufgerichtet werden - und das obwohl er die Statur von Valdyn in Lionheart hatte... Unser Besuch bei Psygnosis hingegen war ein voller Erfolg. Man hat uns umgarnt, quasi den roten Teppich ausgerollt, und uns mit offenen Armen zur Zusammenarbeit eingeladen - die die nächsten vier Jahre andauern sollte. Von einem Tag auf den anderen waren wir von "total zerstört" wieder in den siebten Himmel zurückgekehrt! Nach unserer Rückkehr gaben wir unsere Entscheidung an Erik bekannt, der damit schon gerechnet hatte. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube Willi haben wir zu dem Zeitpunkt nicht mehr gesehen. Um die Kollegen/ Freunde bei Thalion tat es mir/ uns sehr leid, denn die waren alle echt klasse! Willi haben wir dann später noch zufällig auf einer Messe getroffen. Er hat sich für die Dinge, die passierten, nachträglich entschuldigt und uns seine Hochachtung ausgesprochen, dass wir das damals so durchgezogen hatten. Das muss ich ihm hoch anrechnen! Das war also unsere Zeit bei Thalion. Eine im Nachhinein wunderschöne Zeit und der Einstieg in unsere Karriere als Spieleentwickler. Henk und ich sind Thalion auch auf ewig dankbar - vor allem Erik, der unser Talent erkannt hatte, uns zu sich holte, aus uns mehr rausholte als wir dachten was in uns steckt und im Endeffekt zu einem Titel führte, auf den wir extrem stolz sind! Erwin Kloibhofer |