Smalltalk - Ein offenes Gespräch mit Erik Simon Seit "Dragonflight" gilt er als Star der digitalen Rollenspiel-Szene in Deutschland, seit dem Niedergang von Thalion bangen die Fans um den Nachfolger des genialen "Ambermoon". Im Interview hat uns Erik Simon nun verraten, dass bald damit zu rechnen ist - und wohl endlich auch mit einer PC-Version des Bernsteinmondes! Am 17.12.1963 kam Erik Simon in Hamburg zur Welt, doch verbrachte er nur das erste halbe Jahr seines Lebens in der Hansestadt - seine Wahlheimat ist die Pfalz. Die Ausbildung am Gymnasium scheiterte ausgerechnet an den Englischkenntnissen; mag sein, dass dieses traumatische Erlebnis der damals noch ganz überwiegend anglistischen Rollenspiel-Welt mit "Dragonflight" erstmals ein komplett deutsches Mega-Abenteuer bescherte. Zunächst aber folgten die Realschule und eine Lehre als Radio- und Fernsehtechniker, ein Fachabitur und das Studium der Nachrichtentechnik an der Fachhochschule. Dann kam der damals noch 20monatige Wehrdienst, und mit ihm kamen Zweifel, ob die eingeschlagene Laufbahn wirklich so ganz das Gelbe sei. Zu unserem Glück war sie es nicht, denn aufgrund diverser Erfahrungen am C64 und Atari ST (mit der Demogruppe TEX) fühlte sich Erik zum Spieleentwickler berufen und begann 1986 zusammen mit seinem Kumpel Udo Fischer die Arbeit an "Dragonflight". Auf dem ST galt das Spiel 1989 dann als Referenz im Genre, dennoch ließ die PC-Konvertierung volle zwei Jahre auf sich warten - was unseren Gesprächspartner bis heute ärgert, denn als die Umsetzung fertig war, war sie natürlich nicht mehr ganz zeitgemäß. Weil dem Drachenflug damit auf der DOSe der verdiente Kassenerfolg versagt blieb, geht er bei seinem neuesten Werk "Albion" auf Nummer Sicher: Es wurde auf AGA-Amigas begonnen und wird nun am PC fertiggestellt ... |
?: Erik, Du hattest ja
in letzter Zeit ein wenig Pech - Dein ehemaliger
Herausgeber Thalion musste Konkurs anmelden, und Deine
gewohnten Entwicklerplattformen, die 68000er-Rechner,
haben ihren Zenit überschritten. Wie geht es denn nun
weiter, und wird man auch am PC in den Genuss von
"Ambermoon" kommen? ES: Meine Kollegen und ich haben uns inzwischen voll auf den PC umgestellt und auch schon sehr gut eingearbeitet, da gibt es keine Probleme. Der am Amiga überaus erfolgreiche Bernsteinmond wird von uns allerdings nicht umgesetzt, doch habe ich gehört, dass man anderswo mit der Konvertierung zugange ist und das Spiel unter dem Label Red Balloon für MS-DOS erscheinen soll. ?: Inzwischen haben Du und Deine Getreuen ja bei Blue Byte eine neue Heimat gefunden - läuft die Zusammenarbeit zu Deiner Zufriedenheit? ES: Was Blue Byte so interessant macht, ist, dass dieser deutsche Hersteller seine Produkte für den internationalen Markt entwickelt. Und gerade im Ausland tut man sich mit einheimischen Spielen ja oft schwer, weil dort eben nicht knochentrockene Fußballmanager oder Wirtschaftssimulationen die Verkaufsschlager sind. Gott sei Dank muss ich nicht sowas entwickeln, sondern kann mir meine Projekte aussuchen... ?: Wie hat man sich den Wechsel zu einem neuen Brötchengeber eigentlich vorzustellen? Gibt man da ein Inserat auf, geht man Klinken putzen, oder was? ES: Nein, wenn man, wie ich, auch Grafiker ist, schickt man einfach eine Disk mit seinen Werken ein. Im Moment geht zwar der Trend hin zu richtig gemalten Bildern, die dann gescannt werden, aber wer am Computer zeichnen kann, hat schon mal eine gute Basis. Ich tendiere ja auch nach wie vor eher zu Pixelgrafik, nicht umsonst arbeiten wir mit den österreichischen Digi-Malern "Pixelers" zusammen. ?: Ist derzeit nicht gerenderte Grafik der letzte Schrei? ES: Schon, aber meist bezieht sich das doch auf schicke Intros. Uns interessiert aber vor allem eine schöne und abwechslungsreiche Grafik im Spiel, wo wir auch einige tolle Rendering-Effekte einsetzen wollen. Das ist auch mit ein Grund, warum "Albion" nur auf CD erscheinen wird - es soll optisch so aufwändig werden, wie es auf Diskette einfach nicht machbar ist. Die Duplikation so vieler Disks käme schlicht zu teuer. ?: Soviel zur Grafik. Aber wo bleibt denn nun die Programmierkunst? ES: Die muss man sich wohl überwiegend selbst beibringen; bei Blue Byte hat gerade mal einer von acht Programmierern Informatik studiert. Das Studium beschäftigt sich nun mal recht wenig mit dem eigentlichen Programmieren und noch viel weniger mit den speziellen Dingen, auf die es bei der Spiele-Programmierung ankommt. Seine Kenntnisse in C und Assembler sollte man sich also besser selber beschaffen. ?: Nun bist Du ja in erster Linie Spieledesigner und auch als solcher bei Blue Byte beschäftigt. Dafür gibt's ohnehin keine offizielle Ausbildung, was muss man also können? ES: Wenn man viel und viele gute Games gespielt hat, ist das schon ein Anfang. Bloß muss man halt auch analysieren können, welche Elemente es sind, die ein Spiel zu einem guten Spiel machen! Ein wenig Allgemeinbildung kann bei der Story-Entwicklung ebenfalls nicht schaden, aber letztlich ist es wohl überwiegend eine Frage von Interesse und Talent. Wie in Eurem Job auch, zählen praktische Erfahrung und bereits vorzeigbare Leistungen hier bei einer Bewerbung mehr als jedes Diplom. ?: Wussten wir's doch, dass wir quasi Seelenverwandte sind! Was wir noch nicht wissen, ist, ob und wie "Albion" den ursprünglich geplanten dritten Teil Deiner populären Bernstein-Saga ersetzt - Albion ist doch ein alter Name für England ... ES: Richtig, wir können inzwischen einfach keine Orks und Elfen mehr sehen und wollten mal weg von den üblichen Fantasy-Welten. Daher haben wir uns ausgemalt, was wohl passiert wäre, wenn die Urbewohner Britanniens nicht von Griechen, Römern und Christentum beeinflusst worden wären. Unsere Kelten sind allerdings auf einem fernen Planeten angesiedelt, wo sie mit einer Alien-Kultur leben. Bis etwas Schreckliches passiert! ?: Der Tee ist alle?! ES: Schlimmer, ein Raumschiff von der Erde landet! ?: Ogottogott! ES: Im Moment feilen wir noch daran, die Geschichte um den damit unvermeidlichen Kulturschock aus dem Zusammenprall von Magie und Technik möglichst realistisch wirken zu lassen. Beispielsweise werden die Charakterwerte zu Beginn des Rollenspiels nicht ausgewürfelt, sondern vorgegeben, um die Hauptfiguren besser ins Spiel einzubinden - etwa mit einer Lovestory, die aus tatsächlichen Unterschieden zwischen den Geschlechtern resultiert. In "Albion" wird eben viel mehr stecken als nur die übliche Dungeon-Plünderei. ?: Apropos Dungeons - obwohl Thalion seinerzeit als erster in Deutschland scrollende Kerker auf den Screen gebracht hat, wirkt da das System von "Ambermoon" spätestens seit "System Shock" etwas veraltet. Dürfen wir beim Nachfolger mit Verbesserungen rechnen? ES: Na klar! Da bei "Albion" ungefähr die Hälfte des Spiels in 3D ablaufen wird, haben wir uns gerade in diesem Punkt viel Mühe gegeben. So werden langsamere Rechner unter VGA mit einer relativ hohen Auflösung von 360 × 240 Pixel bedient, während schnelle PCs das Spiel unter SVGA in einer Auflösung von 640 × 480 Bildpunkten abspulen können. |
?: Was ist ein
"schneller PC"? ES: Tja, auf einem 486 DX2/66 wird es unter SVGA wohl nicht mehr ganz ruckelfrei abgehen, aber auf einem Pentium mit 90 MHz wird das Game superflüssig laufen. ?: Mann, das sind ja Systemanforderungen wie bei Origin! ES: Na und? Müssen wir bescheidener sein, nur weil wir in Deutschland entwickeln? Zudem ruckelt etwa "System Shock" in SVGA selbst auf einem Pentium, und im Zweifelsfall kann man einfach das Grafikfenster verkleinern. Und in jenen Passagen, die aus der 2D-Draufsicht gezeigt werden, spielt sich ja auch noch einiges ab! ?: Etwa die Kämpfe? ES: Nein, die werden wohl wie gewohnt im 3D-Fenster laufen, und zwar so taktisch, wie man das von unseren Spielen kennt. Neuerdings aber mit schickeren Animationen. Doch programmieren wir das Kampfsystem stets zuletzt, wir sind nun mal keine Fans von Hack & Slay-Rollenspielen, wo man alle paar Schritte eine Horde Monster niedermachen muss. Unser Augenmerk liegt mehr auf einer atmosphärischen Story mit vielen Quests und Bonusabenteuern. Das Gameplay darf nicht zu schwierig sein, damit man auch alles zu sehen bekommt - und das Spiel muss umfangreich sein, damit es auch lange etwas zu sehen gibt. ?: Irgendwann hat man aber auch den umfangreichsten Rolli durchgespielt - was kommt nach "Albion"? ES: Originelle Ideen haben wir noch jede Menge, auch und gerade im Zusammenhang mit einem komplett neuen Spielsystem. Aber die Konkurrenz schläft nicht, weshalb ich dazu noch nicht mehr sagen möchte. Fest steht jedoch, dass wir zu "Albion" nicht endlos Nachfolger planen, eher schon ein Zusatz-Szenario. ?: Zu "Battle Isle" erscheint ja demnächst bereits das zweite Buch, ist sowas auch für "Albion" angedacht? ES: Nö, aber Ihr könntet mich ja fragen, was ich lese ... ?: Nämlich? ES: "Dragonriders of Pern" von Anne McCaffrey kann ich nur empfehlen, alles von Tolkien ist Pflicht, und "Treason" von Orson Scott Card finde ich auch klasse. Am besten in den englischen Originalfassungen. ?: Also doch ein Fantasy-Freak, von wegen nie wieder Orks und Elfen! Was treibst Du sonst so in Deiner Freizeit? ES: Seit meinem 18. Lebensjahr düse ich mit meiner Kawasaki Z440 LTD durch die Gegend - da ich zwei Meter groß bin, habe ich die Maschine extra auf meine Körperlänge umgebaut. Zudem koche ich gern, für mein Curryhuhn reisen gute Freunde wie der "Turrican"-Vater Manfred Trenz meilenweit! Außerdem höre ich Tag und Nacht Musik, am liebsten von Led Zeppelin, Yes oder dem Ex-Eagle Joe Walsh. Wenn es neuerer Stoff sein soll, dann eben Lenny Kravitz, Living Colour oder Stone Temple Pilots. ?: Hey, wo bleiben die Computerspiele? Erzähle uns bitte nicht, dass Dich Richard Garriots "Ultima"-Saga kein bisschen inspiriert hat! ES: Doch, das hat sie. Bis zum vierten Teil habe ich alle "Ultimas" durchgezockt, dann ging mir die Zeit aus. Tja, das ist der Fluch der Branche - wenn Du komplexe Spiele entwickelst, hast Du nicht mehr genug Freizeit, um auch komplexe Spiele zu spielen! Aber das gute alte "Archon" krame ich immer noch oft hervor; für "Archon Ultra" am PC fehlt mir leider noch der passende Joystick. Ansonsten steht noch manchmal eine Runde von meinem teils selbstentwickelten 3D-Ballerspiel "Trex Warrior" an. Aber was soll's, das Erstellen von Games macht ja mindestens ebensoviel Spaß. ?: Ehrlich?! ES: Ja, wenn nur die vielen Überstunden nicht wären. Sicher, der Verdienst ist gut, aber wer zehn bis sechzehn Stunden am Tag und dazu jedes zweite Wochenende arbeitet, hat kaum Zeit, seine Kohle auszugeben. ?: Du Armer! Herr Ober, eine Runde Mitleid! ES: Halb so wild, zum Schwimmen, Radeln und neuerdings auch Badminton spielen reicht die Zeit schon noch. Ich gehe auch gerne ins Kino und mache selbst vor Filmen nicht halt, bei denen wohl nur die Special Effects herausragend sind. Meine Favoriten sind aber schon etwas anspruchsvoller: Blade Runner, Birdy oder Zeichentrickfilme von Disney und aus japanischer Produktion. ?: Aha, daher das berühmte Einhorn aus "Dragonflight"! ES: Genau, denn "Das letzte Einhorn" zählt zu meinen Lieblingsstreifen. Kleine Anekdote am Rande: Die Urversion dieser Animation habe ich seinerzeit im Krankenhaus gemalt, und zwar mit einem ganz primitiven Malprogramm am 64er. Das war mühsam, aber da in Folge eines bösen Motorradunfalls das Rückgrat angebrochen war, hatte ich drei Wochen lang nichts Besseres zu tun. Ihr hättet mal hören sollen, wie die Putzfrauen geflucht haben, weil sie ständig über die Kabel des Rechners gestolpert sind! ?: Na, dann beschränke Dich doch zukünftig vielleicht lieber auf das Schwimmen - schließlich lechzen die Rollenspieler in der Redaktion schon nach "Albion"! Wir bedanken uns daher für das Gespräch und wünschen bewusst nicht Hals- und Beinbruch... (mm) Erik Simons PC Softographie:
PC Joker 3/95 |
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