Gespräche mit Prominenten von gestern und heute


Was macht eigentlich Erik Simon?

An der Spitze ist es einsam: Der 29jährige ist Entwicklungsleiter bei Thalion und gleichzeitig das einzige noch übrig gebliebene Gründungsmitglied des kleinen, aber feinen deutschen Softwarehauses.

 

Mit so grundverschiedenen Games wie "Amberstar", "Airbus A320" oder "Lionheart" haben die Gütersloher in der Vergangenheit Klasse und Vielseitigkeit bewiesen. Die Gegenwart gehört hingegen "Ambermoon" - und damit Erik Simon als einem der maßgeblichen Leute hinter den 3D-Kulissen des neuen deutschen Vorzeige-Rollenspiels!

Erik, was bedeutet eigentlich der Name Thalion?

Ehrlich gesagt überhaupt nichts, er klingt einfach gut!

Mmh, "Ambermoon" klingt auch gut - als Ihr mit diesem Projekt angefangen habt, war der 1200er noch gar nicht in Sicht; werdet Ihr also eine Spezialversion nachschieben?

Ist nicht nötig! Praktisch ohne es zu wissen, haben wir da ein Spiel entwickelt, das den 1200er bereits voll ausnutzt. Für die scrollenden Dungeons wurden nämlich alternative Routinen für die 68020- und die 68030-Prozessoren geschrieben, und es wird auch mehr RAM unterstützt. Kurzum, alle Amigas werden jeweils optimal ausgenutzt.

Wie sieht es mit älteren Spielen aus, etwa "No Second Prize", "Lionheart" und "Amberstar"?

Bei "No Second Prize" denken wir über einen zweiten Teil nach, der aber erst am PC entwickelt werden müsste. Christian Jungen, der dieses Spiel und die schnelleren Routinen für die nächste "Airbus"-Version geschrieben hat, würde dann natürlich auch eine Konvertierung für den A1200 machen.

Und was ist mit den anderen Games?

Zu "Lionheart" kann ich Dir da 'ne nette Anekdote erzählen, die einiges erklärt. Bei einer der ersten Vorführungen des A1200 in Frankfurt ließen wir die Raubkatze probehalber mal auf der Kiste laufen - und die Commodore-Manager glaubten tatsächlich, "Lionheart" wäre die erste Entwicklung speziell für den A1200 und seinen AA-Modus! Wozu also noch eine aufgemotzte Version, wir haben ja bereits alle Register gezogen...

Das wollen wir wohl glauben, zumal Gerüchte kursieren, Factor 5 hätte "Turrican III" eigens noch mal überarbeitet, weil "Lionheart" zunächst so viel besser aussah. Ist nun mit einem Nachfolger zu rechnen, Ihr habt ja gedroht, das sei Euer letztes Actionspiel gewesen, wenn es sich nicht gut verkaufen würde?!

Leider ist es genau so gekommen! Das Teil lief für ein Actiongame zwar gut, was aber nur bedeutet, dass wir gerade mal die Entwicklungskosten reinkriegen werden. "Ambermoon" ist übrigens der Versuchsballon, mit dem wir testen wollen, ob man am Amiga noch erstklassige Rollenspiele machen kann. Ich hoffe, dass die Leute wenigstens hier wissen, was sie tun...

Ihr habt bei "Lionheart" ja extra den Kopierschutz weggelassen, aber man hörte immer wieder, dass sich das Spiel nach einer Weile von selbst in Wohlgefallen auflöst - war das so eine Art "versteckter Kopierschutz"?!

Im Kopierwerk hatte man dummerweise eine Diskettensorte erwischt, die solche "Datenverflüchtigungsprobleme" hatte. Es war also keine Absicht, und selbstverständlich bekam jeder, der ein solches Problemkind erwischt hatte, sein Game kostenlos umgetauscht. So hielten wir es übrigens auch bei Leuten, welche von "Amberstar" noch eine alte, nicht auf dem 1200er funktionierende Version gekauft hatten. Und was den Kopierschutz angeht - so was halte ich für eine absolut sinnlose Bestrafung der ehrlichen User, da es nun wirklich keine Unterschiede macht, ob der Crack ein paar Tage früher oder später in den Boards landet.

Bis zum Rand gefüllte Disks, wie sie Team 17 verwendet, bringen auch nichts?

Nö, da nehmen die Raubkopierer halt eine Diskette mehr. Das gibt nur Probleme mit schlechten Laufwerken, und bei einem Rollenspiel, das sehr viele Files hat, könnte das zur echten Fehlerquelle werden.

In diesem Zusammenhang bedauert Ihr es vermutlich sehr, dass der A1200 dann doch kein HD-Laufwerk bekommen hat?

Ja, in der Hinsicht hat sich Commodore nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wir hoffen, dass die User zumindest eine Festplatte haben, denn durch die neuen Grafikmodi des AA-Chipsets bekommt man zwar sehr schöne 256 Farben - aber leider auch Rechenzeitprobleme. Ein Byte-per-Pixel-Modus hätte dem Gerät ebenfalls nicht geschadet; am liebsten wäre mir aber gleich ein 68040-Prozessor gewesen.

Apropos "am liebsten" - von verschiedenen Seiten wurde behauptet, Thalion hätte gern "Wing Commander" für den Amiga umgesetzt?

Daran ist kein Wort wahr, obwohl wir schon der Meinung sind, dass man die Konvertierung technisch weit besser hätte hinkriegen können. Bei der Gelegenheit möchte ich auch nochmal in Erinnerung rufen, dass wir schon lange vor der Veröffentlichung von "Ultima Underworld" ein Demo hatten, welches das "Ambermoon"-System benutzte - und trotzdem wird die Entwicklung der ersten flüssig scrollenden 3D-Dungeons immer Origin gutgeschrieben. Wir brauchten dafür auch keine 30 Leute und einen 486er, sondern bloß einen normalen Amiga. Es ist wirklich ärgerlich, dass wir mit dem Release von "Ambermoon" nicht eher dran waren!

Ließe sich denn mit Eurem System die "Unterwelt" für unsere "Freundin" umsetzen, mal so ganz theoretisch gefragt?

Schön wärs, nur leider ist der Amiga die denkbar ungeeignetste Maschine für Texture-Grafik (mit Bitmap-Grafik überzogene Polygone). Es grenzt fast an ein Wunder, dass wir es bei "Ambermoon" so gut hinbekommen haben. Bei uns sind die Dungeon-Level aber auch auf einer Ebene, es geht nicht wie bei "Underworld" rauf und runter, denn dazu müssten die Polygone schief im Raum stehen.

Aber der nächste Teil Eurer Bernstein-Saga wird trotzdem noch für den Amiga erscheinen?

Freilich, wir haben ja alle Entwicklungstools auf diesem Rechner geschrieben, und solange sich "Ambermoon" vernünftig verkauft...

Ist auch eine CD³²-Version geplant?

Das steht noch nicht ganz fest und ist eher eine Frage der Manpower - wir sind schließlich bloß neun Leutchen, die zudem noch die englische und eine französische Version stricken müssen.

Okay, dann wollen wir Dich nicht länger quälen, sondern nur noch kurz wissen, womit sich Erik Simon in seiner Freizeit entspannt?

Mit Motorradfahren und Kochen, in Sachen Musik mag ich "Yes" und "Led Zeppelin", daneben aber auch aktuelle Sachen wie "Living Colour". Meine Lieblinge im Kino sind "Blade Runner", "Blues Brothers" und Zeichentrick-Klassiker wie "Das letzte Einhorn".

Erik, wir danken Dir für das interessante Gespräch!

Quelle: Amiga Joker 11/93