Realisation projektorientierten Idealismus'
Jenseits von Interceptor und Flight Sim.

Rainer Bopf (50), Ziehvater der unter Thalion erscheinenden Mittelstrecken - Airliner - Simulation Airbus A320, verkörpert für den ostwestfälischen Hersteller die Entdeckung schlechthin. Sein Know-How basiert auf 25 Jahren intensivster Arbeit innerhalb der (inzwischen) mikroprozessor-gesteuerten Computerwelt. Auf der AMIGA '91 in Köln trat er erstmals ans Licht der Öffentlichkeit, vornehmlich, um nunmehr seine - so gesehen - vierte Flugsimulation zu präsentieren.

Sein persönlicher Hang zu all dem, was sich erst unter maschinenbetriebener Kraft in die Lüfte bewegt und sein daraus resultierendes Interesse an Flugsimulatoren im besonderen machen Bopf zum sachkompetenten Geschäftspartner und Mitarbeiter der Software-Branche. Das Entdecken beiderseits füreinander und für ein solides Projekt kam erst im Frühjahr 1991 zustande, bis dato führte "Captain" Bopf in Sachen Flugsimulatoren ein rein privates, ein Schattendasein. Den "ein oder anderen" Simulator, den er in den Jahren zuvor programmierte, schuf er eben "nur so für sich selbst", für seinen eigenen Bedarf - oder Spaß. Airbus A320 wäre dann fast der vierte im Bunde der Bopfschen Privatumsetzungen geworden, wäre er nicht im Herbst 1990 von Dritten zu einem Modellversuch überredet worden, der ihm letztendlich seinen Auftritt - jüngst auf der AMIGA '91 in Köln - ermöglichte: Raus aus dem stillen Kämmerchen und rein ins Software-Business. "Das Ding muss vermarktet werden." Wie günstig gut gemeinter Rat sein kann, und wie eine solide, praxisorientierte Idee unter Einfluss einschlägiger Publisher-Erfahrung in ein erfolgreiches Produkt umgesetzt werden kann, wird am Airbus deutlich...

Wir hatten auf der AMIGA '91 die Gelegenheit, mit Rainer Bopf, Thalions Backdoor- und Background-Man, Mitarbeiter und Berater, zu sprechen...

ASM: Die 1:1-Umsetzung vom Lufthansa Airbus A320 auf Amiga oder PC - ist das überhaupt möglich?
Bopf: Na klar! Im Airbus selbst befindet sich ein MC 68000er Prozessor...(lacht).
ASM: Herr Bopf, Sie sind...
Bopf: 50, verheiratet, zwei Kinder.
ASM: Wenn ich mich hier auf der Messe umsehe, fallen Ihre Aktivitäten und Ihr Auftreten innerhalb dieser relativ jungen Branche ein wenig aus der Rolle. Die Frage liegt nicht fern: Was bewegt einen gestandenen 50er dazu, im Spiele-Software-Business tätig zu werden? Wo liegen die Grundlagen, woher rührt das Interessse?
Bopf: Es sind wohl zunächst zwei Parallelen, die zwischen mir und den ganzen Menschen hier auf der Messe bestehen: Ich programmiere gern, viel und wohl schon länger, als die meisten dieser Freaks hier, das ist das eine. Des Weiteren bin ich leidenschaftlicher Flieger. Man bringe beide Eigenschaften - Fliegen und Programmieren - auf einen Nenner. Das Ergebnis ist der Flugsimulator.
ASM: Und wenn ich Sie richtig einschätze, wird nicht nur der Nenner für unser Gespräch von Bedeutung sein. Herr Bopf, was steht im Zähler?
Bopf: Da steht, genau genommen, eine Vier...mit starker Tendenz zur Fünf.
ASM: Vier Flugsimulatoren also, und der fünfte in Arbeit?
Bopf: Ja, wenn Sie wollen - wobei sich besagter Fünfter im Vergleich zu seinen Vorgängern vom Konzept her stark abheben wird.
ASM: Ist es richtig, dass Sie sich Ihre programmiertechnischen Fähigkeiten einstmals aus beruflichen Gründen angeeignet haben?
Bopf: Das ist richtig, ja.
ASM: Wann genau, und vor allem: In welchem Zusammenhang haben Sie mit dem Programmieren begonnen? Womit verdient Rainer Bopf seine Brötchen, wenn es nicht der Airbus ist? Sind Sie Pilot - bei der Lufthansa?
Bopf: Nee, das ist nicht ganz richtig. Ich bin Offizier bei der Luftwaffe, zur Zeit aktiv in einem der neuen Bundesländer. Vom Fachlichen her bin ich seit recht langer Zeit - Mitte der 60er Jahre - unter anderem eingesetzt im Bereich der Datenverarbeitung. Angefangen hab' ich als Laienprogrammierer. Nach einer Ausbildung in den Staaten hab' ich sechs Jahre lang programmiert, auf damals hochmodernen Rechnern, von denen heute niemand mehr etwas weiss.
ASM: So richtig nach Lochstreifen-Manier?
Bopf: Ja, Lochstreifen und auch Holerith-Karten, welche in den USA übrigens schon Ende des 19. Jahrhunderts erstmals zum Einsatz kamen (Anm. d. Red.: Aus "Holerith" entwickelte sich schon kurz nach der Jahrhundertwende "ABM", später dann "IBM"), eben alles, was es da Schönes gab. Bin dann innerhalb der normalen Karriere ins Management eingestiegen, ab 1974 im weitesten Sinne Management von Führungssystemen.
ASM: Was heißt das im einzelnen?
Bopf: Unter Führungssystemen versteht man die Kombination aus Fernmelderei und Datenverarbeitung für die Luftwaffe und die Bundeswehr insgesamt. Dienstlich erfolgte meine letzte Programmierung schon 1972. Daher resultiert also die Erklärung für den Hang oder Drang, moderne Technik auf dem Gebiet wieder mal selbst an der Basis auszuprobieren.
ASM: Daher also das Hobby, zu programmieren. Was hat es mit der Fliegerei auf sich, Herr Bopf? Ebenfalls Ihr Hobby, oder eher beruflicher Aspekt?
Bopf: Das mache ich seit 1963. Es ist in der Tat das andere Hobby.
ASM: Aktiv fliegen?
Bopf: Ja, selbstverständlich. Angefangen mit Segelfliegen 1963, Motorflug-Ausbildung 1966 in den USA, Los Angeles, parallel zur Programmierer-Ausbildung, dann - wenn man so will - nebenbei geflogen in der Bundeswehr bis etwa 1978 im Rahmen der Bundeswehr-Sportfluggruppe. Es wurde damals auf Bundeswehr-Gerät geflogen, die Maßstäbe bei den Maschinen, die man flog, waren auch professionell.
ASM: Dennoch war es eine Art Hobby?
Bopf: Ja, natürlich. Ich bin auch mehrere Flug-Rallyes geflogen, habe auch einige gewonnen.
ASM: Das ist also die Verbindung oder das Motiv, Flugsimulatoren zu schreiben. Herr Bopf, Sie erwähnten am Anfang unseres Gesprächs die magische Zahl Vier. Der Airbus ist uns allen nun ein Begriff, was hat es mit den drei Vorgängern auf sich?
Bopf: Ja, genau gesagt ist der Airbus schon mein fünfter Simulator, den ich geschrieben habe. Ja, Sie staunen, es werden immer mehr. Die anderen hatten zum Beispiel für heutige Verhältnisse solch primitive 8-Bit-Rechner wie den SCMT (Anm. d. Red.: "Elektor"-Nachbau aus dem Jahre '76 mit alphanumerischen Screen, 25-Zeilen-Auflösung,...) zur Grundlage. Auf dem habe ich übrigens zwei Simulatoren geschrieben, so mit Landebahnen aus Plus-, Komma- oder Minuszeichen, wie Sie sich vorstellen können. Ich hatte eigentlich auch nie die Absicht, die Dinger in irgendeiner Form zu vermarkten.
ASM: Wie ging es dann weiter?
Bopf: Dann folgte einer auf dem Apple II+, angelehnt an den "Sublogic Flight Simulator". Der größte Unterschied bestand im Grunde an dem europäischen Navigationsumfeld. Das hatte der von Sublogic nicht. Ja, und dann hab' ich mich eben an den Amiga gewagt. Der erste Vorversuch kam in C, hier hatte mich jedoch die Geschwindigkeit nicht sehr befriedigen können. Bin dann auf meine Lieblingssprache Assembler umgestiegen. Ja, der zweite Flieger auf dem Amiga wurde dann die Basis für den aktuellen Airbus.
ASM: Den Sie natürlich auch der User-Welt vorenthalten wollten...
Bopf: Ja, auch diesen hier hab' ich bis vor etwas über einem Jahr nur für mich geschrieben. Als der damals so richtig ausreifte, fragten mich Freunde, warum ich den denn nicht veröffentliche.
ASM: Und damals sind Sie an Thalion herangetreten?
Bopf: Nein, es war der Februar oder März des vergangenen Jahres, als ich dann endlich angefangen hatte, mich mal umzusehen, wie man so etwas überhaupt machen kann - und bin dann letztlich an Thalion geraten.
ASM: Inwieweit hat Thalion bei der Umsetzung nun letztendlich aktiv mitgewirkt?
Bopf: Nun, bis vor eineinhalb Jahren hatte mein Airbus keinen - sagen wir mal - Spielecharakter, dieses Schema mit Überprüfungsflügen zum Beispiel ist erst entstanden aufgrund der Tatsache, dass dieses Programm ein Spiel werden sollte. Also vom reinen Simulator wegkommen. Das hatte ich ursprünglich nicht so geplant.
ASM: Woher stammen Ihre Grundkenntnisse, was beispielsweise Technik oder Flugverhalten des Airbus angeht?
Bopf: Meine persönlichen stammen aus gesammelten Piloten-Testberichten, in welchen dieses Flugzeug besprochen wurde.
ASM: Und für den letzten Schliff haben Sie später, schon gemeinsam mit Thalion, bei Airbus selbst angeklopft. Hatten Sie die Kontakte mitgebracht?
Bopf: Nein. Als wir in die Phase kamen zu verifizieren, haben wir den Kontakt mit Airbus Industries und Lufthansa aufgenommen.
ASM: Das heißt, der Kontakt ist erst durch das Programm zustandegekommen?
Bopf: Ja, richtig. Wobei die Mitarbeit der Lufthansa von der fachlichen Seite - über das Marketing kann ich an dieser Stelle wenig sagen - her lediglich noch darin bestand, dass ich den Simulator dem Chefpiloten für A320-Flugzeuge bei der Lufthansa zur Ansicht vorgelegt habe, und der dann noch verschiedene Hinweise gab, die zur perfekten Umsetzung auf dem Amiga sehr dienlich waren.
ASM: Das heißt, der A320 ist so realistisch umgesetzt, wie es nur möglich ist?
Bopf: Ja, und darauf lege ich großen Wert. Irgendwelche Spielereien, wie Rückansicht oder ähnliches gibt es in diesem Programm nicht, das hat auch kein A320-Pilot zur Verfügung. Und die Steuerung - die ist 1:1 vom echten Vogel übernommen.
ASM: Herr Bopf, warum haben Sie sich gerade für den Airbus entschieden?
Bopf: Mein Anreiz liegt in der gedanklichen Brücke zwischen Fliegen und Computersteuerung begründet. Und der sehr moderne A320 ist nahezu komplett über den Computer zu navigieren. Darüber hinaus ist das Modell eines Kurz- oder Mittelstrecken-Airliners natürlich interessant, will man im Bereich Kurzflüge arbeiten. Jeder Spieler findet einen Flughafen in seiner Nähe, es sei denn, er wohnt in Übersee.
ASM: Das ist in Interesse des potentiellen Käufers. Wo bleibt die Herausforderung für Sie persönlich?
Bopf: Das kann ich Ihnen sagen. Neben den angesprochenen Vorteilen, die auch zu meiner Motivation führten, wollte ich erstmals mit zwei Triebwerken arbeiten.
ASM: Wieviel Zeit hat der Airbus A320 also insgesamt in Anspruch genommen?
Bopf: Entwicklungszeit - nun, ich würde mal sagen, alles in allem: Dreieinhalb Jahre.
ASM: Eine abschließende Frage: Spielen Sie auch die artverwandten Jet-Fighter-Simulationen? Gibt es darunter persönliche Favoriten?
Bopf: Ja, selbstverständlich. Für mich ist der schönste immer noch der "Interceptor". Und der wird's wohl auch noch 'ne Weile bleiben.

Matthias Siegk

Quelle: ASM Special Nr. 14